
Zentrale Erkenntnisse
Wirkungsorientierung stärken: Alle Parteien sollten evidenzbasierte Ansätze und eine wirkungsorientierte Ausrichtung der Entwicklungspolitik fördern. Wirkungsorientierung als Leitlinie internationalen Handelns haben lediglich die Grünen in ihrem Wahlprogramm explizit benannt.
Fusion von BMZ und AA: Der Vorschlag der FDP, das Entwicklungs- in das Außenministerium zu integrieren, sollte, auch im Lichte der aktuellen Entwicklungen in den USA, kritisch hinterfragt werden. Internationale Erfahrungen sprechen gegen diesen Schritt.
0,7%-ODA-Quote sichern: SPD, Grüne und die Linke befürworten die Quote, die angesichts des steigenden Bedarfs durch den Rückzug der USA aus weiten Teilen der Entwicklungszusammenarbeit mindestens erreicht werden müsste. Die globale Sicherheitslage erfordert ein Mehr statt ein Weniger an globaler Kooperation.
Stellenwert der Entwicklungszusammenarbeit: Die Analyse zeigt, dass die Entwicklungspolitik einen sehr unterschiedlichen Stellenwert in den Wahlprogrammen der einzelnen Parteien einnimmt: Insbesondere AfD und BSW schreiben der Entwicklungszusammenarbeit kaum Wert zu. Dabei werden wichtige Funktionen - auch im nationalen Sicherheitsinteresse Deutschland - vernachlässigt. Wird die Entwicklungszusammenarbeit geschwächt, eröffnet dies weitere Einflussmöglichkeiten für Russland und China, zulasten der deutschen Handlungsfähigkeit.
Die Wahlprogramme der Parteien zur Bundestagswahl 2025 setzen in der Entwicklungszusammenarbeit unterschiedliche Akzente. Dabei bieten sich zahlreiche Chancen, die Wirkung und Effizienz der Aktivitäten durch innovative und kosteneffektive Ansätze deutlich zu verbessern und bestehende Potenziale besser zu nutzen. Der Fokus auf Wirkungsorientierung und evidenzbasierte Ansätze sollte weiter gestärkt werden, um mit den vorhandenen Ressourcen möglichst viel zu erreichen. Während einzelne Parteien erste Schritte in diese Richtung versprechen, bleibt noch viel ungenutztes Potenzial. Die Entwicklungszusammenarbeit hat die Chance, als treibende Kraft für globale Gerechtigkeit und nachhaltige Entwicklung zu wirken.
Besonders vor dem Hintergrund des zunehmenden Rückzugs der USA aus der Entwicklungszusammenarbeit kommt Deutschland eine entscheidende Rolle zu. Wenn Deutschland und seine internationalen Partnerstaaten diese Lücken nicht füllen, werden Systemrivalen wie China und Russland erheblich an Einfluss in strategisch wichtigen Regionen gewinnen. Entwicklungszusammenarbeit ist somit nicht nur eine Frage globaler Gerechtigkeit, sondern auch ein geopolitisches Instrument, um langfristige Partnerschaften zu stärken und Deutschlands außenpolitische Handlungsfähigkeit zu sichern.
Wie setzen die Parteien ihre Schwerpunkte?
CDU/CSU: Das Wahlprogramm von CDU/CSU verknüpft die Entwicklungszusammenarbeit v.a. mit den wirtschaftlichen Interessen Deutschlands, nennt dort bisher jedoch keine konkreten Instrumente zur Stärkung der Wirksamkeit. Strukturell plant die CDU/CSU, die Entwicklungszusammenarbeit zusammen mit Außen-, Sicherheits-, Verteidigungs-, Handels- und Europapolitik durch einen Nationalen Sicherheitsrat stärker zu koordinieren und dabei auch migrationspolitische Interessen zu verfolgen. Außerdem spricht sich die Partei dafür aus, die Entwicklungszusammenarbeit und die humanitäre Hilfe zusammenzuführen. Von einer Fusion des BMZ mit dem Auswärtigen Amt sollten die Parteien dabei absehen, um keine Schwächung der internationalen Handlungsfähigkeit Deutschlands zu riskieren. Zwar werden evidenzbasierte Ansätze in anderen Sektoren aufgegriffen, jedoch nicht im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit. Hier läge jedoch ein großes Potenzial, die Effizienz und Wirksamkeit von Entwicklungszusammenarbeit zu stärken und schnellere Fortschritte zu erreichen.
SPD: Das Programm zeigt insgesamt eine klare Befürwortung und Stärkung der Entwicklungszusammenarbeit. Die SPD fordert etwa ein eigenständiges BMZ zu erhalten und setzt damit ein wichtiges Signal. Deutschlands internationaler Verantwortung gerecht zu werden wird etwa durch das Festhalten an der 0,7 % ODA-Quote gestärkt und auch als Anspruch an alle G7-Staaten formuliert. Thematisch hält die SPD ebenfalls an einer feministischen Außen- und Entwicklungspolitik fest. Die Überwindung von Armut, Hunger und Ungleichheit sowie globale Gesundheitspolitik und die Stärkung und Weiterentwicklung der Agenda 2030 bieten vielseitige Anknüpfungspunkte, hier zukünftig große Fortschritte mit kosteneffektiven Maßnahmen zu erzielen. Ein Fokus auf Wirkungsorientierung und strategische Entscheidungen der Entwicklungszusammenarbeit evidenzbasierter zu untermauern wird hingegen nicht explizit angestrebt. Hierin läge großes Potenzial, die selbst gesetzten Ziele der Entwicklungszusammenarbeit zu erreichen.
Grüne: Das Wahlprogramm der Grünen zeigt insgesamt vielversprechende Ansätze: Wirkungsorientierung und Kohärenz werden als Anspruch internationalen Handelns definiert, wenn auch die konkrete Ausgestaltung offen bleibt. Damit setzen die Grünen ein positives Signal für eine evidenzbasierte Entwicklungszusammenarbeit und bieten einen guten Ausgangspunkt, die Wirkungsorientierung in der Entwicklungszusammenarbeit zukünftig zu stärken. Auch ein klares Bekenntnis zu internationalen Verpflichtungen wird genannt: Die Grünen erkennen die Verantwortung Deutschlands für die ärmsten Länder der Welt an und bekennen sich zu Verpflichtungen wie der Einhaltung der 0,7 % ODA-Quote. Außerdem sollen multilaterale Organisationen und internationale Kooperationen gestärkt werden. Thematisch setzt die Partei Schwerpunkte bei globaler Gesundheit, dem Recht auf Wasser und Nahrung und hält an einer feministischen Außen- und Entwicklungspolitik fest. Zwar sprechen sich die Grünen in ihrem Programm für eine eigenständige Entwicklungspolitik aus, unklar bleibt jedoch, ob dies auch ein klares Bekenntnis gegen eine Integration von BMZ und Auswärtigem Amt umfasst, wie es etwa die FDP in ihrem Programm fordert.
FDP: Ähnlich wie CDU/CSU plant auch die FDP die Entwicklungszusammenarbeit entlang wirtschaftlicher und sicherheitspolitischer Interessen auszurichten und einen Nationalen Sicherheitsrat einzurichten. Außerdem plädiert die FDP für eine Fusion des BMZ und des Auswärtigen Amts, was die Entwicklungszusammenarbeit finanziell und ideell erheblich schwächen könnte. Ein weiterer thematischer Fokus der Entwicklungszusammenarbeit liegt im FDP-Wahlprogramm auf Menschenrechten und dem Schutz von Minderheiten, insbesondere LSBTIQ-Personen. Die FDP benennt den Wert der Entwicklungspolitik für die globale Sicherheit, Demokratie und Freiheit. Insgesamt bleibt jedoch auch hier ein Fokus auf die Wirkungsorientierung der Entwicklungszusammenarbeit aus.
Die Linke: Die Linke will die jüngsten Kürzungen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe zurücknehmen. Die Partei setzt sich außerdem für die Einhaltung der 0,7 % ODA-Quote sowie für eine Entschuldungsinitiative ein. Menschenrechte, der Schutz von Minderheiten und Klimaschutz stehen hier thematisch im Fokus, ebenso wie globale Gesundheit. Auch hier wird kein Fokus auf Wirkungsorientierung, Kosteneffektivität oder die Implementierung evidenzbasierter Ansätze explizit erwähnt.
BSW: Das BSW tritt vor allem als selbstbezeichnete Friedenspartei an. Bezüge zur Entwicklungszusammenarbeit sind im Wahlprogramm keine zu finden.
AfD: Die AfD bewertet die deutsche Entwicklungszusammenarbeit als “gescheitert” und plant die Entwicklungszusammenarbeit durch Mittelkürzungen deutlich zu reduzieren. Zudem soll Entwicklungszusammenarbeit an Remigration als Bedingung der Partnerländer geknüpft werden.
Fazit und Handlungsempfehlungen
Die Wahlprogramme der Parteien zur Bundestagswahl 2025 zeigen sehr unterschiedliche strategische Ausrichtungen der Entwicklungszusammenarbeit. Trotz positiver Ansätze bleibt ein erhebliches Potenzial ungenutzt, um die Effektivität und die langfristige Wirkung der Entwicklungszusammenarbeit zu steigern. Insbesondere fehlt es an einer klaren Ausrichtung auf evidenzbasierte und wirkungsorientierte Ansätze, die helfen könnten, die vorhandenen Ressourcen wirksamer zu nutzen. Während einige Parteien verstärkt auf wirtschaftliche Interessen und sicherheitspolitische Verknüpfungen setzen, könnte dies langfristig die Kohärenz und Nachhaltigkeit der Entwicklungszusammenarbeit beeinträchtigen. Ein stärkerer Fokus auf die Einbindung von multilateralen Organisationen bietet Chancen, die internationale Führungsrolle Deutschlands wahrzunehmen und die globalen Entwicklungsziele zu fördern. Zudem bleibt vielfach offen, wie die Entwicklungszusammenarbeit gezielt an den Bedürfnissen besonders vulnerabler Länder ausgerichtet werden kann. Hier gibt es großes Potenzial, die internationale Zusammenarbeit weiter zu stärken und eine kosteneffektive, auf Wirksamkeit ausgerichtete Entwicklungszusammenarbeit zu fördern.
Handlungsempfehlungen:
Stärkung der Wirkungsorientierung: Alle Parteien sollten verstärkt auf evidenzbasierte Ansätze und eine strategische langfristige Ausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit setzen, um mit den vorhandenen Ressourcen möglichst wirksam zu verfahren.
Multilaterale Zusammenarbeit: Die Grünen und SPD setzen hier bereits positive Akzente. Es wäre sinnvoll, diese Ausrichtung weiter zu fördern und die Rolle multilateraler Organisationen als treibende Kräfte für globale Gerechtigkeit und nachhaltige Entwicklung zu stärken.
Fokus auf vulnerable Länder: Insgesamt sollte der Fokus stärker auf die Unterstützung von Least Developed Countries (LDCs) und extrem armen Regionen gerichtet werden, um die dringend notwendige Hilfe für diese Länder zu gewährleisten.
Keine Integration von Entwicklungspolitik und Außenpolitik: Während die Grünen und die SPD eine eigenständige Entwicklungspolitik explizit befürworten, sollten alle Parteien die möglichen Folgen einer Fusion von BMZ und Auswärtigem Amt sorgfältig abwägen. Zwar ist eine verbesserte Koordination der beiden außenpolitischen Ressorts begrüßenswert, die internationale Erfahrung zeigt jedoch, dass eine Zusammenlegung mehr Kosten als Nutzen verspricht.
Internationale Verantwortung wahrnehmen: Ein langfristiger Fokus auf die Stärkung der globalen Gesundheits- und Armutspolitik sowie auf die Einhaltung internationaler Verpflichtungen, wie der 0,7% ODA-Quote, bleibt eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Entwicklungspolitik. Der Rückzug der USA aus multilateralen Programmen erfordert eine verlässliche und gestärkte deutsche Entwicklungszusammenarbeit, insbesondere in den Bereichen Krisenprävention, globale Gesundheit und Armutsbekämpfung.
Insgesamt bietet die neue Regierungsbildung die Herausforderung und Chance, die deutsche Entwicklungszusammenarbeit zukunftsfähig und effizient zu gestalten. Dazu bedarf es jedoch einer starken Finanzierung und einer klaren Zusage zur aktiven Förderung evidenzbasierter und herausragend wirksamer Ansätze.
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